Haftungsrisiken
Die Frage der Haftungsrisiken für Organe der Unternehmen ist eng mit der Frage der Insolvenzantragspflicht verknüpft.
Die Bundesregierung hat gesetzliche Regelungen verabschiedet, um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten. Diese Regelungen sehen auch eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor.
Derzeit ist die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die Leistungen aus den staatlichen Hilfsprogrammen erwarten können, bis zum 30.04.2021 ausgesetzt.
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen greift jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Insoweit sind diese im Falle der Krise umgehend zu prüfen. Daneben haben die handelnden Personen folgende Risiken zu berücksichtigen:
Insolvenzverschleppung

Liegt ein Insolvenzgrund vor, haben die Organe unverzüglich einen zulässigen Insolvenzantrag zu stellen.
Vorstands und
Geschäftsführerhaftung

Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/ Überschuldung können einen Ersatzanspruch gegen die Organe begründen.
Haftung für nicht abgeführte
Umsatzsteuer und
Sozialversicherungs-
beiträge

Trifft die Organe ein Verschulden, so können sie für nicht abgeführte Beiträge persönlich in Anspruch genommen werden.
Vorenthalten und
Veruntreuen von
Arbeitsendgeld

Werden nicht zumindest die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber abgeführt, kann dies strafbar sein.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Entsprechend des COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetzes – COVInsAG - ist die Insolvenzantragspflicht bis zum 30.04.2021 ausgesetzt:
- Voraussetzung hierfür ist, dass im Zeitraum vom 01.11.2020 bis zum 31.12.2020 die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen des Bundes beantragt wurden oder
- die Hilfeleistungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bisher nicht möglich war und
- die Gewährung der beantragten Hilfen nicht aussichtslos ist und
- die Hilfeleistung eine etwaige Insolvenzreife nicht beseitigen kann.
Die Aussetzung der Antragspflicht hat zur Folge:
- Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insb. solche, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Betriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen, gelten als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.
- Dies entspricht im Wesentlichen auch einer Aussetzung der Vorstands- und Geschäftsführerhaftung.
- Sanierungskredite und Gesellschafterdarlehen, die innerhalb des Aussetzungszeitraums gewährt und bis zum 20.09.2023 zurückgewährt werden, gelten als nicht gläubigerbenachteiligend. Die Bestellung von Sicherheiten für Sanierungskredite gilt ebenfalls nicht als gläubigerbenachteiligend.
- Die Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO gilt in einem späteren Insolvenzverfahren nicht für Zahlungen, die während der Aussetzung erfolgten.
Dies gilt jedoch nicht, wenn
- dem anderen Teil bekannt war, dass Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen nicht zur Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.
Die beschriebenen Rechtsfolgen gelten auch für Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen, wie bspw. Selbständige und Freiberufler.
Insolvenzverschleppung, § 15a InsO
Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder tritt insolvenzrechtliche Überschuldung ein, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen.
Wird ein solcher Antrag nicht oder nicht richtig gestellt, drohen Geldstrafen oder gar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Aufgrund dieser weitreichenden Konsequenzen ist folgendes zu beachten:
- Prüfen Sie Ihre Liquidität und erstellen Sie einen Liquiditätsplan.
- Sollten Sie feststellen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die Liquidität nicht ausreicht, um zumindest 90 % der fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von 3 Wochen zu bedienen, holen Sie sich rechtlichen Rat ein. Beachten sie, dass in den drei Wochen alle sicheren Zahlungsein- und –ausgänge zu berücksichtigen sind.
- Gemeinsam mit einem Rechtsanwalt und ggf. Ihrem Steuerberater sollten Sie auch eine etwaige Überschuldungssituation prüfen.
- Wird festgestellt, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, sind Sie ggfls. verpflichtet einen Insolvenzantrag zu stellen.
- Aufgrund der strafrechtlichen Konsequenzen bei „nicht richtigen“ Anträgen sollte der Insolvenzantrag zumindest von einem Experten geprüft werden, bevor er bei Gericht eingeht.
Folgen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auf die Insolvenzverschleppung:
- Für den Zeitraum Januar bis 30. April 2021 wird die Insolvenzantragspflicht für Geschäftsleiter von Unternehmen ausgesetzt, die einen Anspruch auf Gewährung der November- und Dezemberhilfen haben.
- Sofern die Voraussetzungen der Aussetzung vorliegen, scheidet auch eine Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4 InsO aus.
Organhaftung, § 92 AktG, § 64 GmbHG
Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung der Gesellschaft dürfen keine Zahlungen mehr geleistet werden. Ausgenommen sind Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.
Werden dennoch Zahlungen geleistet, ist der Geschäftsführer oder der Vorstand der Gesellschaft persönlich zum Ersatz der Zahlungen verpflichtet. Aufgrund dieser Konsequenzen ist folgendes zu beachten:
- Die Haftungsansprüche stellen einen Ersatzanspruch eigener Art der Gesellschaft dar.
- Insoweit bestehen die Ansprüche unabhängig von einer Antragspflicht oder Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 15a InsO.
- Prüfen Sie unabhängig von einer etwaigen Antragspflicht die Risiken der Organhaftung.
Folgen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz) auf die Organhaftung:
- Zahlungen innerhalb des Aussetzungszeitraums, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insb. solche, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Betriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen, gelten als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.
- Insoweit wirkt sich das COVInsAG nicht nur auf die Insolvenzantragspflicht aus, sondern ermöglicht auch den Geschäftsleitern, die für die Aufrechterhaltung des Unternehmens erforderlichen Zahlungen zu leisten.